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„Man sollte als Frau etwas kecker sein...“

Am 11.02. ist der Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft. Ein Gespräch mit Prof. Dr. Sophia Keil.

Am 11. Februar jährt sich der Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft. Wir haben mit Prof. Dr. Sophia Keil, Dekanin der Fakultät Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsingenieurwesen, über Schüchternheit, Stereotypen und große Träume gesprochen.

Frau Professor Keil, wollten Sie schon immer in die Wissenschaft?

Eigentlich habe ich viele Jahre in der Wirtschaft bei einem High-Tech Unternehmen gearbeitet. Ich habe Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Stralsund und der Technischen Universität Dresden studiert. An der Hochschule Stralsund ist jedoch - im Nachgang betrachtet - bereits die Initialzündung zur wissenschaftlichen Karriere gelegt worden. Dort habe ich meinen Mentor, mein Vorbild kennengelernt, der ein Ausnahmeprofessor des Maschinenbaues war und meine Begeisterung für die Forschung geweckt hat. Seit dem zweiten Semester habe ich studienbegleitend für ihn in seinem interdisziplinären, internationalen Forschungsteam gearbeitet. Der Mann selber, hat mir gezeigt, dass alles möglich ist.

Haben Ihre Eltern Sie auf Ihrem Weg unterstützt?

Meine Eltern sind im Tourismusgewerbe aktiv, keine Akademiker. Sie haben mich nie in eine Richtung gedrängt. Ich war ein Mensch, der von selbst aus gern gelernt hat, dazu musste mich keiner bewegen. Ich hatte eine behütete Kindheit, auch wenn ich mal eine 3 geschrieben habe, war das kein Problem. Das Studium der Betriebswirtschaftslehre habe ich mir selbst ausgesucht, da es Berufschancen in allen Arten von Unternehmen ermöglicht.

Was raten Sie Ihren Kindern?

Ich habe momentan noch keine Kinder. Aber wenn ich welche hätte, würde ich ihnen je nach Talent und Interesse wirklich empfehlen entweder ein Informatik-, Wirtschaftsingenieur- oder Maschinenbaustudium aufzunehmen. Es wäre wichtig, wenn man Frauen für MINT begeistern will, dass sie Vorbilder haben, und sehen: das funktioniert, das ist ein interessanter Beruf, ich kann das!

Wie könnte man Frauen und Mädchen für diese Berufe interessieren?

Einfach unvoreingenommen an die Dinge herangehen und Stereotypen aufgeben. Diejenigen, die mit Schülerinnen zu tun haben, müssen Talente erkennen. Wir wollen ja auch nicht jeden in Richtung MINT drücken, das ist auch nicht sinnvoll. Wir wollen eine diverse Wirtschaft haben. Es gibt z.B. auch einen großen Bedarf an Handwerker- oder Pflegeberufen. Spezialisierte Wirkstätten-Bereiche in Kindergärten, z. B. MINT- oder Handwerkerbereiche in denen die individuellen Fähigkeiten der Kinder angeregt werden, wären toll, so dass man frühzeitig unterschiedlichste Talente weckt und fördert, auch die kreative Seite.

Und wie war das bei Ihnen?

Mein Interesse für Technik wurde durch meinen Mentor geweckt. Wie schon gesagt, ursprünglich habe ich BWL studiert und hatte gar nichts mit der technischen Schiene zu tun, bin jetzt aber in einem hochtechnisierten Bereich und dort auch voll akzeptiert. Ich habe mich in die Themen eingearbeitet und ich glaube, die meisten meiner Industriepartner wissen nicht einmal, dass ich eigentlich BWLerin bin. Ich selbst war anfangs auch mädchenhaft, ein bisschen unsicher. Aber auch da hat mich mein Mentor gestärkt: er hat Trainings in der Forschungsgruppe durchgeführt, bevor wir Ergebnisse präsentieren sollten. Er sagte: "Sei nicht so artig, du kannst auch mal anecken, Fragen stellen."

Wurden Sie in Ihrer Laufbahn je benachteiligt, weil Sie eine Frau sind?

Ich glaube, Frauen die wollen, finden ihre Rolle in der Wirtschaft und Wissenschaft. Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung heraus sagen, dass ich als Frau nie in irgendeiner Form benachteiligt wurde. Ich weiß von Freundinnen, dass es diese Benachteiligung leider manchmal noch gibt. Dass Frauen auch mal komische Sprüche von Männern zu hören bekommen, kleine Spitzen…

Frauen haben erst seit 100 Jahren die Möglichkeit in Deutschland zu studieren. Ist es in Zukunft überhaupt noch wichtig, ob man Frau oder Mann ist?

Es ist schon heute nicht mehr wichtig, ob man Mann oder Frau ist. Wir tragen jetzt die Früchte der 68er Bewegung. Die Männer werden „moderner“, nehmen z. B. Elternzeit für Väter, Frauen werden dadurch flexibler, können Familie und Beruf besser vereinen. Wir haben als Frauen heute die Möglichkeiten alles zu erreichen, was wir wollen. Unabhängig davon ob wir Frau oder Mann sind. Auch im Kontext der Digitalisierung. Die Digitalisierung ermöglicht eine Flexibilisierung der Arbeit, z. B. mehr von Zuhause aus zu arbeiten und trotzdem Teil zu haben am Job, ohne dass eine Präsenz erforderlich ist. Wir können ja zu jeder Zeit und von jedem Ort aus arbeiten.

Verschiedene Studien beweisen, dass Mädchen schon in der 5. Klasse ihr Können in Mathematik unterschätzen - im Gegensatz zu Jungen - und sich entsprechend orientieren. Fehlt es deswegen vielen Mädchen an Selbstbewusstsein bei der späteren Ausbildungsentscheidung, entsprechend ihrer Talente auch MINT-Berufe in Betracht zu ziehen?

Ich habe einen Spruch am Kühlschrank hängen: Shoot for the moon. Even if you miss, you'll land among the stars. Man sollte an sich selbst glauben und an seine Träume, aber es sollten eben nicht nur Träume sein, sondern sie müssen direkt in Ziele überführt werden. Mädchen und Frauen sollten das Selbstvertrauen haben: alles ist möglich. Man muss wissen: was sind die eigenen Werte, Wünsche, Einstellungen. Was will ich im Leben erreichen? Denn es muss auch nicht jeder eine Führungskraft werden. Erfolg definiert ja jeder für sich.

Und wie kann man das ganz praktisch umsetzen?

Man sollte hohe Ziele haben, Wege zu deren Erreichung aufschreiben und kontinuierlich schauen, ob man sie erreicht. Aus der Komfortzone rausgehen, nicht nur träumen. Man muss als Frau auch wirklich ein bisschen kecker sein, sich nicht so konform und artig verhalten. Man muss ein gewisses Durchhaltevermögen haben und mit Unsicherheit umgehen können. Gerade im Wissenschaftsbereich ist es sehr sehr unsicher, wenn man eine Professur anstrebt. Dann ist man in der Regel schon fast 40. Man steht unter Druck, Beschäftigungsverhältnisse sind befristet, man kann nicht so richtig planen, wo bekomme ich einen Ruf. Das könnte in Frankfurt am Main sein, in Kiel, überall in Deutschland oder in der Welt. Ich selbst habe einen Ruf in die USA erhalten, diesen aber abgelehnt. Das alles ist nicht gerade förderlich, um eine Familie zu gründen. Oder sich zu setteln. Wenn man über 30 ist, will man auch mal irgendwo ankommen, mit dem Partner.

Sie sind erst seit Dezember 2017 an der HSZG, haben Ihren Doktor in der Tasche, lehren in Ihrer Fakultät und sind seit kurzem Dekanin selbiger. Was sind Ihre Ziele, die sie noch erreichen wollen?

Mein privates Ziel ist gerade, dass ich jedes Jahr etwas Neues lerne, etwas, das so gar nichts mit meinem Beruf zu tun hat, z. B. Klavier spielen. Und ich habe mir gewünscht, dass ich als Professorin bei meinen Studierenden beliebt bin. Beliebt insofern, dass sie sagen, sie lernen nachhaltig etwas bei mir und es macht ihnen auch Freude in der Lehre bei mir. Das war so mein Ziel, als ich hier begonnen habe. Mir sind die Studierenden sehr wichtig. Ich möchte ihnen genauso etwas mitgeben, wie mir Werte mitgegeben worden sind. Für mich ist das ein Traumberuf. Ich bin höchst dankbar dafür, dass ich Professorin sein darf. Und vom deutschen Staat einen Auftrag bekommen habe, hier einen Beitrag dazu zu leisten, junge Leute voran zu bringen.

* Prof. Dr. Sophia Keil, Jahrgang 1981, aufgewachsen auf der Insel Rügen, studierte bis 2003 BWL an der Hochschule Stralsund, berufsbegleitendes Promotionstudium an der TU Dresden, promovierte extern während Ihrer Tätigkeit bei dem High-Tech Unternehmen Infineon Technologies Dresden GmbH, danach am Lehrstuhl für BWL, insb. Logistik der TU Dresden; Forschungsauslandsaufenthalt SUNY Polytechnic Institute Albany (NY, USA), seit Dezember 2017 an der HSZG.

Das Gespräch führte Sophie Herwig


Kontakt:
Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit

Tel.: 03583 612-4560

E-Mail.: marketing(at)hszg.de

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